Wie mit dem Gendering bemühen wir uns um eine politisch korrekte Sprache. Manchmal ruft diese Bezeichnung seltsame Abwehrreflexe hervor, die in ironischem Tonfall daherkommen. Das liegt uns fern. Auch wenn wir den Geboten einer politisch korrekten Ausdrucksweise sicht nicht immer Genüge tun, sind wir uns der Wirkmacht sprachlicher Repräsentation bewusst. So sind wir auch auf ein bemerkenswertes Detail der Drucker:innensprache gestossen: Kennt ihr ‹Schusterjungen› und ‹Hurenkinder›?

Was bedeuten diese Bezeichnungen?
Natürlich fragen wir nicht nach Menschen. Diese beiden Bezeichnungen benennen zwei simple Fehler, die beim Setzen von Texten notwendigerweise auftauchen können und üblicherweise korrigiert werden. Der ‹Schusterjunge› ist die erste Zeile eines Absatzes, die vereinzelt auf der vorangehenden Seite steht. Das ‹Hurenkind› ist der umgekehrte Fall, bei dem die letzte Zeile des Absatzes vereinzelt auf der folgenden Seite steht.
Mit diesen Bezeichnungen gehen Merksätze einher wie diese: Ein Schusterjunge weiss nicht, wohin er geht; ein Hurenkind weiss nicht, woher es kommt. Träf und einprägsam erfüllen solche Sprüche ihren Zweck, nämlich dass sie Typografieregeln leicht verständlich und memorierbar machen. Gleichzeitig zementieren sie aber althergebrachte Stereotype und Abwertungen.

Woher kommen diese Bezeichnungen?
Erst mit dem industrialisierten Druck kamen diese Bezeichnungen Ende des 19. Jahrhunderts auf. Zuvor diente eine lateinisch geprägte Fachsprache der Verständigung unter den Drucker:innen. Die Industrialisierung dagegen machte das Druckereigewerbe zu einem Massenbetrieb. Eine Terminologie, die der Alltagssprache näher war, ersetzte die elitäre Fachsprache.
Vorbei war also die Zeit der alten Handwerksmeister. Stattdessen übten nun Männer diesen Beruf aus, die kein Latein mehr sprachen und die zunächst vielleicht auch ungelernt arbeiteten. Die Proletarisierung der Arbeit schien unweigerlich eine Vulgarisierung der Sprache nach sich ziehen zu müssen.
Wohin gehen diese Bezeichnungen?
Während die Bezeichnung ‹Witwe›, und das ist wenig verwunderlich, allmählich das ‹Hurenkind› ablöst, hält sich der ‹Schusterjunge› hartnäckig. Zwar ist eine Verbesserung des Sprachgebrauchs erkennbar, seltsam mutet die ‹Witwe› dennoch an. Der ‹Schusterjunge› wiederum führt eine merkwürdige Mischung von Armutsklischees und verblassenden Vorstellungen mit sich. Schusterjungen› sind heute schliesslich keine mehr anzutreffen.
Einige Fragen sind angebracht: Wenn wir uns also im Verlagswesen, das der Sprache näher ist als andere Gewerbezweige, um eine angemessene Ausdrucksweise bemühen, müssten wir uns da nicht um eine entsprechende Fachsprache bemühen? Vielleicht wären Bezeichhnungen angebracht, die nicht ganz so antropomorph sind?
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