Bologna, das fette Bologna (der nahrfhaften bologneser Küche wegen), ist bekannt für Tomatensauce mit Hackfleisch. Bologna, aber dazu gibt es nichts zu sagen, ist bekannt für eine unselige Bildungsreform. Und Bologna, das rote Bologna (seiner Ziegldächer und seiner politischen Vergangenheit wegen, könnte – wenn es das Wort Kollektivliteratur schon gäbe und der Begriff allgemeine Anerkennung fände – auch dafür bekannt sein: Wu Ming.

Wu Ming – ein chinesisches Wortspiel, das je nach Betonung der Silben, da Namen Autorschaft kennzeichenen, entweder fünf Namen oder kein Name bedeutet – ist das Pseudonym eines fünfköpfigen Schriftstellerkollektivs aus Bologna, das bis zur Jahrtausendwende noch Luther Blissett hiess. Seit 2008, als Wu Ming 3 das Kollektiv verliess, ist Wu Ming noch zu viert. Luther Blissett und Wu Ming haben mehrere Romane herausgebracht, die in deutscher Übersetzung zunächst bei Piper und mittlerweile bei der Assoziation A erschienen sind.
Fesselnde Bücher trotz avantgardistischer Praxis
Bemerkenswert an Wu Ming ist dabei, dass es sich bei den Büchern nicht um postmoderne Experimente aus schwerverständlichen Fragmenten und Metafiktionen handelt. Ironie als Selbstzweck und einer Abwendung von der Wirklichkeit zugunsten ästhetischer Extravaganz erteilt Wu Ming ebenso eine Absage wie dem kapitalistischen Wachstumswahn und dem Anthropozentrismus.

Bemerkenswert ist, dass Wu Ming unter dem Banner einer New Italian Epic fesselnde Historienthriller schreibt – egal ob es dabei um die Mafia, Tito-Partisanen oder päpstliche Spitzel in der Reformationszeit geht. Die Bücher sind trotz bisweilen ungewohnter Erzählperspektiven mit Anlehnung an die Popkultur eingängig geschrieben und entwickeln einen Sog, der es schier unmöglich macht, mit Lesen aufzuhören.
Emanzipatorische Agenda
Sowohl mit ihrer digitalen Gegenöffentlichkeit in der eintönigen italienischen Medienlandschaft als auch mit ihren Büchern verbinden Wu Ming durchaus eine konkrete politische Agenda. Die Romane vermitteln teils kontrafaktisch, teils realitätsgetreu links-emanzipatorische Geschichte. Und sie sind – aus dem Urheberrecht schlagen sie kein Kapital – kostenlos im Internet zugänglich (Leider trifft das auf die deutschen Übersetzungen nicht zu.).
So gerne ich die Bücher gelesen habe und so sehr ich das politische Engagement von Wu Ming schätze: Wu Ming bleibt die Marke einer festgefügten Gruppe von literarischen Profis. Eine Ausweitung ihrer kollektiven Praxis haben auch Wu Ming nicht geschafft (oder gar nicht erst angestrebt). Bleibt dem Kraken Verlag – tentakelt drauflos! – also einiges zu tun. Und in der Zwischenzeit empfehle ich die Romane «Q» und «54».
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