Also, das ging so: Wir waren uns der Problematik schon bewusst, aber nicht auf der Höhe der Zeit. Die Entscheidung für das Binnen-I in Sachen Gendering zu Beginn unseres Blogs war gut gemeint. Aber eben: Das Gegenteil von ‹gut› ist ‹gut gemeint›. Und genauso wie dieses Sprichwort nur ein halbrichtiges Zitat von Gottfried Benn ist, war auch die Sache mit dem Binnen-I nur halb richtig.
DAnke dafür oder danke DAfür?
Erklären lassen mussten wir uns unser altbackenes Vorgehen aber nicht etwa von einer Feministin oder von einer queeren Person. Nein: Da meldete sich über Twitter mit der nötigen Herablassung ein Mann mittleren Alters, wie es schien, aus dem Rheinland mit dem Kommentar: «Leute, das geht so nicht, sorry. Von einem _Verlag_ erwarte ich das Wissen um die ausschließende(!) Wirkung des Binnen-I.»
Sicher haben wir uns ertappt gefühlt und uns über die Zurechtweisung aufgeregt. Aber ärgerlich ist es allemal, beim Gendering auf dem Abstellgleis zu stehen. Ob es nun aber gut ist, wenn sich ein Mann mittleren Alters der Sache annimmt, oder ob es doch ein Akt des mansplainings ist? Wir können die Frage nicht mit Sicherheit beantworten. Aber Zeit ist es bestimmt, uns etwas schlauer zu machen.
Verwirrung allenthalben

So habe ich ein wenig herumgefragt. Der Gender-Gap, also eine Lücke zwischen männlicher und weiblicher Form ist state of the art. Nur: Die einen plädieren für das Sternchen, die anderen für den Doppelpunkt. Das eine sei inkludierender bezüglich der mitgemeinten Identitäten, das andere sei inkludierender bezüglich Barrierefreiheit. Die einen haben angewandte Sexologie in Merseburg studiert, die anderen soziale Arbeit in Kiel. Und ich bin mir immer noch nicht sicher.
Da es tatsächlich eine Diversity-Texterin, Lucia Clara Rocktäschel, gibt, scheint es mir sinnvoll, bei ihr nachzuschauen. Ich bin erleichtert. Vielleicht ist es aber nicht verwunderlich, dass Rocktäschel als Auftragstexterin keine klare Entscheidung trifft, sondern das Gendern – mit fünf Arten für alle Fälle – dem jeweiligen Auftrag anpasst. Sie selbst gendert auf ihrer Webseite allerdings mit Doppelpunkt.
Doppelpunkt: Und die Argumente?
Obwohl es bei allen Varianten des Genderns Nachteile gibt, sprechen – und das ist für einen Verlag vielleicht entscheidend – zwei ästhetische Gründe für den Doppelpunkt. Er ist nicht nur grafisch schlank, sondern erleichtert in aller Regel tatsächlich die Textwiedergabe für Menschen, die einen Screenreader verwenden.
Während das Sternchen häufig mitgesprochen wird, erzeugt der Doppelpunkt einfach eine kurze Pause. Letzteres kann auf angenehme Weise der Sensibilisierung für die Thematik dienen, während ersteres eher dazu angetan ist, Verwirrung zu stiften. Die Meinungen sind aber geteilt. Genderleicht widerspricht dem Barrierefreiheitsargument auf der Homepage zunächst, kommt aber darauf zurück. Genderdings erwähnt den Doppelpunkt gar nicht.
Fakt ist: Das mit dem Binnen-I war ein ganz schöner Quatsch… Nun gut. An der Stelle ist es angezeigt, über den eigenen Schatten zu springen. Wie auch immer das damals gemeint war: Danke dafür. Offenbar war die Intervention nötig. Mittlerweile haben wir den Auftrag zur Selbstbildung angenommen und sind ein ganzes Stück schlauer.
P.S.: Ein bemerkenswertes Detail verbirgt sich hinter dem Wort ‹Gender-Gap›. Häufig wird es mit dem männlichen Artikel versehen, wo doch das englische Wort gar kein grammatisches Geschlecht hat und das deutsche Wort ‹Lücke› ein weibliches. Was hat sich da durch die Hintertüre wieder eingeschlichen?
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