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Noch ist Anger-Crottendorf nicht gentrifiziert: Die ehemalige Maschinenfabrik Krause.

Clemens klagt

Also: Wir hinken ein wenig der Zeit hinterher. Vielleicht ist die Frage berechtigt: Wieso schreibt ihr über ein Interview, das Clemens Meyer schon Anfang Mai gegeben hat? Sei’s drum. Wir sitzen in Leipzig, Clemens auch. Gerade ist Messezeit, auch wenn sie nicht stattfand. Da taucht dann allerlei auf – wie eben so ein Interview im Kreuzer. Grund genug, auch einmal das literarische Tagesgeschäft zu beleuchten.

Der Zeit hinterher

Da zeichnet Clemens das Bild eines Schriftstellers, der schon mal den Schauspieler Peter Kurth unter den Tisch säuft und trinken muss, um schreiben zu können. Zumindest greift er nach der Flasche, wenn ihn die Langeweile frisst. Aber Sterni, das lernen wir im Interview, darf es nicht sein. Das trank Clemens nur mit «16» – «eiskalt».

Da zeichnet Clemens das Bild eines Schriftstellers, der eine Zweitwohnung in Anger-Crottendorf hat, um schreiben zu können. Da ist er – aber seine Familie lebt natürlich im Westen Leipzigs – in Kontakt mit den rauen Seiten des Lebens. Da ist der Clemens, der auch einmal ein Schiesseisen in die Hand nimmt oder recherchiert, wie ein «Bordell funktioniert». Da ist der Clemens, der gerne mit der «Axt» in der Hand «rauslaufen» würde, weil es «nichts bringt», die «Polizei» zu «rufen».

Der Schriftsteller-Egomane

Clemens Meyer 2010
Abb. 1: Clemens Meyer, 2010.

Da ist der Clemens, der kein Blatt vor den Mund nimmt und sich «als Schriftsteller» auch nirgends reinreden lässt: «Ich schreibe, was ich schreiben will.» Bei seinen Engagements beim Fernsehen ist er sich selbst genug:

Als Schriftsteller ist man sowieso sein eigener Dramaturg. Du hast natürlich trotzdem welche vom Sender, die gucken. Aber dass da jemand kommt und sagt »so und so«, da wäre ich raus. So viel Geld können die mir gar nicht bezahlen.

Da ist der Clemens, der in Pandemie-Zeiten doch über Geldnot klagt und beim MDR einen Polizeiruf schrieb (n-ostalgisch klischiert und bemüht künstlerisch in der Erzählstruktur), der ihm «finanziell den Arsch rettet». Da ist der Clemens, der sich über die «Assis», die seine «Arbeitsruhe stören», beschwert. Aber die «Assis» tun ihm ja auch «leid». Wo die «hinsollen», wenn Anger-Crottendorf gentrifiziert ist?

Da ist der Clemens der hin und wieder Pferde hält und Vizepräsident des Leipziger Reit- und Rennvereins Scheibenholz ist. Und dann ist da natürlich der Clemens, der sich – wie der Titel des Interviews sofort offenlegt – über Konkurrenz beklagt: «Es schreiben sowieso schon zu viele Leute.»

Kollektiv statt Konkurrenz

Vielleicht können wir an dieser Stelle das Klagen sein lassen. Vielleicht können wir mit der Situation, dass viele Menschen schreiben, etwas inspirierter umgehen. Wir freuen uns auf jeden Fall darauf, mit dem Kraken Verlag den eigenbrödlerischen Schriftsteller-Egomanen aus dem 20. Jahrhundert hinter uns zu lassen. Wir wollen herausfinden, wie wir mit diesen vielen Menschen – seien sie nun «Promis» oder nicht – gemeinsam Bücher machen können. Wir sind da neugierig und optimistisch. Wir sind da – der Zeit voraus.

Quellenangaben

Literatur:
Interview, Kreuzer, 08.05.2021.
Titelbild: 
Noch ist Anger-Crottendorf nicht gentrifiziert: Die ehemalige Maschinenfabrik Krause (August Geyler – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0,  https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=93087386).
Abbildung 1: Clemens Meyer, 2010 (Amrei-Marie – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15555487).

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