In Leipzig ein Projekt ins Leben zu rufen, das sich der kollektiven Herstellung von Büchern verschreibt, scheint logisch. Als Stadt in der ehemaligen DDR hat Leipzig nicht nur eine kollektive Vergangenheit, sondern als Messestadt auch eine besondere Affinität zum Buch. Leipzig trug sogar als einzige Stadt weltweit die Bezeichnung «Buchstadt». Zwar gibt es im Gegensatz zur DDR die Buchmesse noch. Aber die Zeiten, als Leipzig Deutschlands Drehscheibe des Buchhandels war, sind lange vorbei.
Aufstieg: von Luther zu Goethe
Leipzigs Nähe zu Wittenberg zog die zuvor unbedeutende Druckerstadt in den publizistischen Sog der Reformationszeit. Leipzig etablierte sich als wichtiger Produktionsort deutschsprachiger Bücher. Ein strenges Zunftwesen sorgte für anhaltend gute Qualität in der Buchherstellung. Publizistische Innovationen wie die weltweit erste Tageszeitung (1650) verhalfen Leipzig zu einer florierenden Buchbranche.
Erstmals überflügelte Leizpig Frankfurt am Main bereits im 17. Jahrhundert. In den 1760er Jahren begruben die Leipziger Drucker-Verleger mit ihrem konzertierten Rückzug aus Frankfurt die dortige Messe. Was im 18. Jahrhundert Rang und Namen hatte, wurde in Leipzig verlegt: von Mozart in der Musik bis Goethe in der Literatur.
Der Leipziger Platz: von der Französischen Revolution zum Ersten Weltkrieg

Die Industrialisierung beschleunigte Produktion und Spezialisierung. Ab 1800 entstand das Graphische Viertel mit seinen unzähligen Firmen aus der Buchbranche. Diese Konzentration der Buchbranche auf ein Viertel war weltweit einzigartig und ermöglichte eine besonders reibungslose Koordination aller Beteiligten.
Die genossenschaftliche Organisation von Bestellung und Auslieferung gewährleistete gleichen Zugang für alle, sodass Leipzig durch diese logistische Einzigartigkeit zum unbestrittenen Zentrum des deutschen Buchhandels wurde. Mit dem Aufstieg des Leipziger Börsenvereins zum deutschlandweiten Branchendachverband (1888) zementierte Leipzig seine herausragende Stellung.
Abstieg: Zerstörung und Teilung
Der Erste Weltkrieg isoliert Leipzig von seinen internationalen Beziehungen. Weder in den 20ern noch unter dem NS-Regime konnte sich Leipzig vollständig erholen. Die Bombardierung Leipzigs zerstörte überdies 80% des Graphischen Viertels. Die amerikanische Abwerbung und die Flucht vor Enteignung durch das sozialistische Regime führte zu massiver Abwanderung der Buchbranche in westdeutsche Städte.

So erhielt Frankfurt seine Messe – nunmehr aber nicht mehr als Händler-, sondern als Publikumsmesse – zurück. Die DDR förderte die Buchherstellung in Leipzig weiterhin – etwa mit einer Ausstellung und dazugehörigen Gutenberg-Preis für die schönsten Bücher zur Messezeit (ab 1952). In den Vertrieb, für den Leipzig einstmals berühmt war, investierte die DDR dagegen wenig. Ohnehin liefen die meisten Betriebe in der DDR auf Verschleiss, sodass zur Wende nicht mehr viel von der einstmaligen Grösse Leipzigs übrig war.
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